Krypto-Mining und Biowaffen: Wie kleine Finanzunternehmen gemeinsam große Engagement-Projekte angehen
Shareholders for Change (SfC) war im Jahr 2022 an fast 160 Einzelengagements beteiligt. Was unterscheidet Sie von anderen Netzwerken?
Ugo Biggeri: Shareholder Engagement ist zum bevorzugten Instrument der nachhaltigen Finanzwirtschaft geworden, um Veränderungen zu bewirken. Jedoch behaupten Kritiker:innen, dass Engagement oft nicht funktioniere oder falsch durchgeführt würde – man spricht dann von „Engagement-Washing“. Engagement sei ein „Feigenblatt“, das Vermögensverwalter:innen eine Ausrede liefere, um in Sektoren wie Öl, Gas oder Stahl investiert bleiben zu können.
Und Ihre Mitglieder eint ein geteiltes Verständnis von glaubwürdigem Engagement?
Ugo Biggeri: Wir haben unser Netzwerk vor fünf Jahren gegründet, um dieser Kritik entgegenzutreten. Engagement ist zunächst das Ergebnis handwerklicher Arbeit. Wir ziehen es vor, mit einer begrenzten Anzahl von Unternehmen über eine begrenzte Anzahl von Themen in den Dialog zu treten. Dabei nutzen wir alle möglichen Formen des Engagements: mit börsennotierten und nicht börsennotierten Unternehmen, Vermögensverwalter:innen, Regierungen, auch in Form der Nutzung der Aktionärsrechte. Eine weitere Besonderheit unseres Netzwerks ist, dass wir uns sogenannten “Orphan Issues“ widmen, also Problemen, die in den Engagement Strategien anderer Investoren nur eine marginale Rolle spielen.
Können Sie uns ein Beispiel für erfolgreiches Engagement zu einem dieser “Orphan Issues“ nennen?
Ugo Biggeri: Unser deutsches Gründungsmitglied, die Bank für Kirche und Caritas (BKC), hat im Dialog mit der Regierung von Namibia einen bemerkenswerten Erfolg erzielt. Anlass für das Engagement der BKC war die „Nicht-Ratifizierung der UN-Biowaffenkonvention“ als Ausschlusskriterium für die Investitionen der Bank in Staatsanleihen. Weil sich Namibia aber bei anderen Nachhaltigkeitskriterien positiv positioniert, sah die BKC die Chance, zunächst in den Dialog zu treten, anstatt sich sofort von den Staatsanleihen zu trennen. Nach zwei Jahren des Engagements mit hochrangigen namibischen Staatsvertreter:innen und Diplomat:innen erwies sich der Plan der BKC als erfolgreich. Auch dank der BKC trat Namibia als 184. Staat offiziell der UN-Biowaffenkonvention bei.
Im Engagementbericht von SfC wird ein Engagement im Bereich Krypto-Mining erwähnt. Wie geht es mit diesem Engagement weiter?
Ugo Biggeri: Dank unserem Schweizer Mitglied Ethius Invest haben wir im Jahr 2022 den Dialog mit führenden Halbleiterunternehmen aufgenommen, die maßgeschneiderte Lösungen für das Krypto- Mining anbieten – mit enormen, negativen Auswirkungen auf die Umwelt. Ethius hat mit Unterstützung der SfC-Mitglieder Forma Futura und Etica Sgr einen Brief an das Chip-Schwergewicht Intel geschrieben. Im April 2023 teilte Intel überraschend mit, dass es die Produktion seiner Bitcoin-Mining-Chip-Serie einstellt. Ein unerwarteter Erfolg! Ethius und SfC setzen ihr Engagement nun gegenüber zwei weiteren Unternehmen der Halbleiterindustrie fort.
Das Netzwerk von SfC wächst. Welche Unternehmen sind zuletzt beigetreten?
Ugo Biggeri: Unsere Mitglieder sind in der Regel kleine bis mittelgroße Vermögensverwaltungsgesellschaften mit einem starken Fokus auf SRI- und ESG-bezogenes Engagement. Im November 2022 begrüßten wir ein neues französisches Mitglied, Phitrust. Im Dezember trat auch die Schweizer Plattform für digitales Impact Investing Inyova dem Netzwerk bei. Anfang 2023 kamen GLS Investments, die Vermögensverwaltungsgesellschaft der deutschen GLS Bank, und Wheb, ein unabhängiger britischer Vermögensverwalter hinzu. Unsere 17 Mitglieder vertreten derzeit ein verwaltetes Vermögen von über 35 Mrd. Euro. Als wir im Dezember 2017 anfingen, hatten wir nur 7 Mitglieder, die ein verwaltetes Vermögen von ca. 22 Mrd. Euro betreuten.
Ugo Biggeri ist Präsident von Shareholders for Change und war Aufsichtsratsvorsitzender des nachhaltigen Asset Managers Etica Sgr mit Sitz in Mailand. Er ist außerdem Koordinator der Global Alliance for Banking on Values (GABV) für Europa.
Das Interview führte Mauro Meggiolaro.